<<Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?>> Fragen wie diese bringen die Unternehmen im Einstellungsprozess von neuen Mitarbeitern kaum weiter. Schlimmer noch, auch die Bewerber könnten durch solche Alibi-Fragen ins Zweifeln kommen, ob sie wirklich für das Unternehmen arbeiten wollen. Patrick Pieles, Vice President Full Time Contract Talent von Robert Half, gibt HR-Managern 14 Fragen an die Hand, mit denen sie besser fahren.
Fachkräfte sind Mangelware auf dem Arbeitsmarkt. Dementsprechend ruht das Vertrauen auf HR-Abteilungen, dass sie die richtigen Mitarbeiter in angemessener Zeit finden und ins Unternehmen holen. Doch gerade beim Thema Geschwindigkeit beginnen die Herausforderungen für Unternehmen und Bewerber. Für Kandidaten stellt sich die Frage: Wie soll der Lebenslauf gestaltet sein? Braucht es ein Motivationsschreiben? Am anderen Ende stehen die Unternehmen und müssen prüfen, wie viele Ressourcen sie aufbringen wollen und können, um vakante Stellen zu besetzen.
Hat sich dann ein Kreis an Kandidaten herausgebildet, der es in die engere Auswahl geschafft hat, beginnt die Königsdisziplin für HR-Entscheider: Das Jobinterview. An dieser wichtigen Gelenkstelle des Bewerbungsprozess springen viele Kandidaten ab, weil sie oft in mehr als drei Interviews gezwungen werden, aber auch, weil die Gespräche von Seiten der Unternehmen oft schlecht vorbereitet sind.
Eine fundierte Vorbereitung ist wesentlich dafür, damit HR-Manager den Kandidaten besser einschätzen können. Im Jobinterview können sie das Interesse des Bewerbers an der Position und am Unternehmen besser beurteilen, seinen beruflichen Werdegang vorurteilsfrei abklopfen und Karriereziele in Erfahrung bringen. Hinzu kommen Kriterien wie die Werte eines Bewerbers, Einblicke in seine Arbeitsgewohnheiten sowie über Stärken, Schwächen, Kenntnisse und Fähigkeiten.
Ein weiterer grundlegender Baustein für ein professionelles Jobinterview sind Fragen zu den speziellen Anforderungen an die Position, die es zu besetzen gilt. Mit diesen 15 Fragen können HR-Manager das genannte Spektrum entsprechend abdecken.
1. Was wissen Sie über unser Unternehmen und warum möchten Sie hier arbeiten?
Eigentlich eine naheliegende Frage – scheinbar. Zwar haben Bewerber durch Google und Co. leichten Zugang zu allen relevanten Informationen, jedoch schaffen viele Bewerber diese Transitionsleistung bereits nicht. Einige Kandidaten können im Interview sodann noch nicht einmal genau sagen, was das Geschäftsmodel des Unternehmens ist. HR-Manager sollten diese Interviewfrage stellen, um möglichst schnell zu erkennen, ob ein Bewerber wirklich daran interessiert ist, in Ihrem Unternehmen zu arbeiten und wer vor allem nicht.
2. Welche Fähigkeiten und Stärken können Sie in diese Position einbringen?
Handelt es sich um eine Blindbewerbung oder hat sich der Bewerber gründlich überlegt, warum genau er den Bedürfnissen des Unternehmens für die Stelle entspricht? Diese Frage kann HR-Managern dabei helfen, einzuschätzen, wie kritisch sich der Bewerber mit sich und seinen Fähigkeiten beschäftigt hat, um eine Position im Unternehmen zu übernehmen.
3. Können Sie mir etwas über Ihren aktuellen Job erzählen?
Dies ist eine großartige offene Frage, die HR-Mitarbeiter einem potenziellen Mitarbeiter stellen sollten. So lassen sich die Kommunikationsfähigkeiten bewerten und ferner können Unternehmen fundierte Rückschlüsse zum Kandidaten erhalten, die über die Angaben im Lebenslauf hinausgehen.
4. Was könnte Ihr derzeitiges Unternehmen tun, um erfolgreicher zu sein?
Diese Frage kann dem Interviewer ein Gefühl dafür geben, ob der Bewerber das große Bild eines Unternehmens sieht. Zudem zielt die Frage darauf ab, warum ein Bewerber seinen aktuellen Job wirklich aufgeben will.
5. Gab es Momente, in denen Sie mit Ihrem Chef oder einem Kollegen uneinig waren?
Dies ist eine der besten Fragen, die man einem Bewerber stellen kann, denn der HR-Verantwortliche bekommt einen Eindruck von den Konfliktlösungsfähigkeiten des Bewerbers. Wie spricht der Kandidat über diesen Konflikt und vor allem über die Beteiligten in der Rückschau? Konnten die Bewerber in der Situation angemessen reagieren? Wurden Kompromisse gefunden? Der Arbeitsalltag ist nicht frei von Konflikten, darum ist die Frage nach der emotionalen Intelligenz und der angeschlossenen Konfliktlösungskompetenz umso wichtiger.
6. Arbeiten Sie lieber allein oder im Team?
Diese Frage fokussiert, ob der Bewerber für das Team und die künftige Aufgabe geeignet ist. Unabhängig davon, ob der Kandidat überwiegend remote arbeitet oder jeden Tag ins Büro kommt, wird er, wenn er gerne allein in längeren Zeiträumen ununterbrochen arbeitet, möglicherweise in einer Position, die kollaboratives Arbeiten erfordert, nicht erfolgreich sein.
7. Warum verlassen Sie Ihren aktuellen Job?
Bietet die angebotene Position eine Alternative zu den Faktoren (fehlende berufliche Entwicklung, Managementprobleme usw.), die den Bewerber in der aktuellen Rolle unglücklich gemacht hat? Wenn ja, können die Interviewer an dieser Stelle Vorteile der neuen Stellen präsentieren und so direkt um den Kandidaten werben. Denn ein Jobinterview fungiert in beide Richtungen, auch der Bewerber macht sich ein Bild über das Unternehmen. Allerdings sollten die Unternehmen an dieser Stelle auf unrealistische Erwartungen achten.
8. Wie würden Ihre Kollegen Sie beschreiben?
Diese Top-Frage an einen Bewerber kann Licht auf die Soft Skills des Kandidaten und seine Teamfähigkeit werfen, daraus wiederum lassen sich Annahmen für die neue Konstellation des Teams treffen, in das er wechseln soll. HR-Manager kennen die Stärken der aktuellen Mitarbeiter und können Ausschau nach einem Kandidaten halten, der diese ergänzen wird.
9. Wie würde Ihr Chef Sie beschreiben?
Dies kann HR-Entscheidern einen Eindruck von der Beziehung des Kandidaten zu früheren Managern geben. Zuverlässigkeit? Pünktlichkeit? Effizient? Bedenken sollten HR-Manager jedoch, dass sie nur eine Perspektive erhalten. Der Kandidat wird vermutlich Schwächen abmildern und könnte Stärken überzeichnen. Deshalb ist es dazu entscheidend, Referenzen zu überprüfen. HR-Manager sollten eine Liste von Kontakten anfordern und frühere Arbeitgeber anrufen, um zu hören, wie und ob sich die Schilderungen mit denen des Bewerbers decken.
10. Wie gehen Sie mit Termindruck um?
Projekte haben oft sehr knappe Fristen. Daher kann es sinnvoll sein, potenzielle neue Mitarbeiter zu fragen, wie gut sie unter Druck arbeiten. HR-Entscheider sollten versuchen, hier ins Detail zu gehen, indem sie den Bewerber nach Beispielen fragen, was er in der Vergangenheit getan hat, um sicherzustellen, dass ein Projekt fristgerecht abgeschlossen wurde. Vielleicht hat der Bewerber auch ein Beispiel parat, in dem er die Frist nicht halten konnte. Hier ist besonders interessant, wie er damit umgegangen ist. Wichtig ist, dass die Antworten des Kandidaten möglichst vorurteilsfrei bewertet werden.
11. Gab es in Ihrer letzten Position Situationen, in der Sie eine große Herausforderung bewältigen mussten?
Der Interviewer kann diese Frage nutzen, um einen Eindruck von den kritischen Denk- und Analysefähigkeiten eines Bewerbers zu bekommen. Wichtig hierbei: Wie beschreibt der Kandidat sein Verhalten, wenn er mit Herausforderungen konfrontiert wird. Hat er sich durchgebissen oder gar einen Aktionsplan aufgestellt und diesen stringent befolgt?
12. An welchem interessantesten Projekt haben Sie in einer früheren Position gearbeitet?
Diese Frage gibt Aufschluss darüber, ob der Bewerber Spaß an neuen Herausforderungen und spannenden Projekten hat. Entsprechen diese Aufgaben, für die sich der Bewerber begeistern kann, den Anforderungen in der Stellenausschreibung für die Position? Die Sicherstellung, dass Mitarbeiter ihre Arbeit beruflich befriedigend finden, ist einer der wichtigsten Faktoren für das mittel- und langfristige Arbeitsergebnis sowie die Mitarbeiterbindung.
13. Sagen Sie etwas über sich, das nicht auf Ihrem LinkedIn-Profil steht
Hier ist eine weitere offene Frage, die HR-Entscheider einem Bewerber stellen können, um einige interessante Einblicke zu gewinnen. Es könnte eine Unterhaltung über ein Hobby außerhalb des Arbeitsalltages des Kandidaten auslösen oder sogar eine fesselnde Geschichte enthüllen, die mehr über Stärken und Motivationen des Bewerbers verrät. Mitunter finden sich Mad Skills darunter, die auch für die neue Rolle von Bedeutung sein könnten.
14. Haben Sie Fragen an uns?
Diese Frage schließt normalerweise das Interview ab. Die aussichtsreichsten Bewerber werden wahrscheinlich einige relevante Fragen vorbereitet haben, die sie dem HR-Manager stellen möchten. Wenn jedoch das Gespräch lang und detailliert war, hat der Bewerber möglicherweise bereits seine Fragen gestellt. In einem solchen Fall ist es in Ordnung, wenn ein Bewerber am Ende des Interviews keine Liste von Fragen hat.
Gute HR-Manager verlassen für das Jobinterview gern auch mal bekanntes Terrain, um sich einem Kandidaten auf neuen Wegen zu nähern. Dies kann auch einen positiven Effekt auf Kandidaten haben. Diese sitzen zumeist nicht nur in einem Jobinterview, sondern sind in verschiedenen Bewerbungsprozessen gleichzeitig. Neue Fragen und eine modifizierte Gesprächsführung können auch beim Kandidaten einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Das Jobinterview dient nämlich auch dem Kandidaten dazu, sich ein Bild vom Unternehmen und der künftigen Position zu machen, die er bekleiden soll. Durch den Fachkräftemangel sollten Unternehmen das Jobinterview auch als Chance sehen, für sich als Arbeitgeber bestmöglich zu werben.
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