Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen wird ausgetragen - 2025 sogar im eigenen Land. Nicht nicht nur die Stadien verwandeln sich in Fanmeilen, auch in den Büros und an den Arbeitsplätzen wird mitgefiebert. Und während die Mannschaften um den Titel kämpfen, fragen sich so manche Mitarbeitende, ob sie im Nationaltrikot zur Arbeit erscheinen dürfen. In diesem Artikel erklären wir, was geht und was nicht geht.
Eines vorweg: Fragen wie diese lassen sich oft nicht pauschal beantworten, da unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen - Bekleidungsvorgaben von Unternehmen vs. Persönlichkeitsrechte, professionelle Unternehmens-imagepflege vs. individuelle Ausdrucksfreiheit am Arbeitsplatz.
Mit Nationalmannschaftstrikot ins Büro gehen?
Nationaltrikot oder Arbeitskleidung? Wo dies geregelt sein kann
Bei der Wahl der Kleidung am Arbeitsplatz geht es – unabhängig von sportlichen Grossereignissen – um die Frage, was höher zu bewerten ist: die betrieblichen Belange und damit das Weisungsrecht des Arbeitgebers oder das geschützte Persönlichkeitsrecht des Mitarbeitenden.
Tatsächlich bestehen verschiedene Möglichkeiten, wo Regelungen hinsichtlich der Arbeitskleidung zu finden sein können.
Zum einen können Arbeitsverträge Regelungen zur Wahl der Arbeitskleidung beinhalten. Ferner kann sich eine Pflicht zu branchenüblicher Kleidung aus arbeitsvertraglichen Nebenpflichten oder aus Gesamtverträgen (GAV) wie Betriebsordnungen ergeben.
Insoweit keine ausdrücklichen Vereinbarungen bestehen, erlaubt auch die sogenannte Befolgung von spezifischen Anordnungen und besonderen Weisungen des Arbeitgebers (Art. 321d OR) bestimmte Vorgaben zur Kleidung am Arbeitsplatz. Insbesondere wenn Hygiene- oder Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz gelten, kann der Arbeitgeber in der Regel über die Kleidung seiner Mitarbeiter entscheiden und sich damit über das Selbstbestimmungsrecht seiner Mitarbeitenden hinwegsetzen.
Auch wenn der Arbeitgeber Wert auf ein einheitliches äusseres Erscheinungsbild legt, beispielsweise durch Uniformen oder Arbeitskleidung mit Firmenlogo, oder der Mitarbeitende in einer exponierten Position tätig ist, überwiegt häufig das Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Mitarbeitendenden.
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird jedoch durch seine Pflicht, die Persönlichkeit seiner Mitarbeitenden zu schützen, eingeschränkt (Art. 328 OR).
Auch bei der Anweisung einer Arbeitskleidung durch den Arbeitgeber müssen die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden beachtet werden, die durch Artikel 28 des ZGB geschützt sind. Jeder Eingriff in die persönliche Freiheit, die Würde oder die Individualität muss durch ein überwiegendes Interesse gerechtfertigt sein. Jeder Fall muss einzeln beurteilt werden, um festzustellen, ob die Anordnung eine unzulässige Verletzung der Persönlichkeit der Mitarbeitenden im Sinne von Art. 28 ZGB darstellt.
Will der Arbeitgeber daher in dieses recht des Mitarbeitenden eingreifen, müssen diesem die betrieblichen Interessen gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden.
Nationaltrikot Ja oder Nein: Eine Interessenabwägung
Wie bereits erwähnt, hat die schwierige Sachlage zur Folge, dass keine pauschale Aussage darüber getroffen werden kann, was der Arbeitgeber anordnen darf und was nicht.
Will der Arbeitgeber seinem Mitarbeitenden verbieten, im Nationaltrikot zur Arbeit zu erscheinen, muss er die beiden genannten Interessen gegeneinander abwägen. Überwiegen die betrieblichen Interessen (ein solches Interesse kann z.B. auch darin bestehen, dass der Arbeitgeber Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft vermeiden möchte - z.B. wenn ein Mitarbeitender im Trikot der gewinnenden Nationalmannschaft am Arbeitsplatz erscheint, während andere Mitarbeitende der unterlegenen Nationalität angehören), darf der Vorgesetzte nach Ansicht von Juristen das Tragen des Nationaltrikots verbieten.
Sofern keine besonderen Gründe (wie beispielsweise Hygienevorschriften, Arbeitsschutzvorschriften oder ggf. eine Störung des Betriebsfriedens) vorliegen, die eine bestimmte Kleiderordnung rechtfertigen, muss der Arbeitgeber zunächst nachweisen, dass er ein berechtigtes Interesse daran hat, zu bestimmen, welche Kleidung seine Mitarbeitende am Arbeitsplatz tragen.
Wenn der Mitarbeitende keinen Kontakt zu anderen Personen als seinen Kollegen hat, dürfte es für den Arbeitgeber schwierig sein, seinem Mitarbeitenden zu verbieten, in einem Nationaltrikot zur Arbeit zu erscheinen, es sei denn, er befürchtet Unruhe unter der Belegschaft oder das Tragen des Nationaltrikots anstatt von Arbeitsschutzkleidung verstösst gegen Arbeitssicherheitsvorschriften.
Ähnlich dürfte die Situation bei Mitarbeitenden sein, die im Büro arbeiten und keinen Kundenkontakt haben. Auch hier dürfte es dem Arbeitgeber schwer fallen, die betrieblichen Belange über das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeitenden zu stellen. Sofern andere Mitarbeiter durch das Trikot nicht belästigt werden, nicht gegen Hygiene- oder Arbeitsschutzvorschriften verstossen wird und der Mitarbeitende seine Arbeit wie gewohnt verrichtet, ist gegen das Trikot in der Regel nichts einzuwenden.
Anders stellt sich das möglicherweise nur dann bei Bürotätigkeiten dar, wenn der Mitarbeitende als Kundenbetreuer im hochpreisigen Segment tätig ist.
In diesem Fall dürfte der Arbeitgeber durchaus auch ein berechtigtes Interesse daran haben, dass sein Mitarbeitender gerade nicht im Nationaltrikot, sondern eher im Anzug erscheint. Ein Beispiel hierfür ist die gesamte Finanzindustrie, in der ein seriöser Auftritt ein wichtiger Baustein für das Kundenvertrauen ist.
Mitwirkungsrecht der Mitarbeitenden
Auch die Arbeitnehmervertretung kann ein Recht auf Mitwirkung bei der Einführung einer möglichen Kleiderordnung im Betrieb haben.
Gemäss dem Mitwirkungsgesetz (MWG) haben Mitarbeitende – auch in Betrieben ohne formelle Arbeitnehmervertretung – das Recht, über wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen informiert und angehört zu werden. Dazu kann auch die Einführung oder Änderung einer Kleiderordnung zählen, insbesondere wenn sie das Verhalten der Mitarbeitenden im Betrieb betrifft
Statt Nationaltrikot Arbeitsplatz schmücken?
Wenn man während der EM schon kein Trikot im Büro tragen darf, könnte es eine Alternative sein, den Schreibtisch während des Turniers in den Nationalfarben zu dekorieren.
Aber auch hier gilt: Im Zweifelsfall lieber vorher mit dem Vorgesetzten oder Arbeitgeber klären. Auch wenn gegen die Farben an sich nichts einzuwenden ist, könnte man mit der Dekoration gegen andere Vorschriften verstossen, zum Beispiel gegen die gegen anderer Sicherheitsvorschriften verstossen, wie z.B. Vorschriften zum Brandschutz oder zu Fluchtwegen.
Also lieber frühzeitig das Gespräch suchen, als sich im Nachhinein zu ärgern oder gar einen Streit mit dem Arbeitgeber zu provozieren – das gilt sowohl für das Nationaltrikot als auch für andere strittige Fragen.
Bildquelle: HStocks@istock