Ihr Arbeitszeugnis kann die Eintrittskarte zum Bewerbungsgespräch sein oder die Tür zum Traumjob blockieren. Damit Sie fair behandelt werden, sollten Sie die gängigen Codes der Zeugnissprache kennen und wissen, welche Rechte Sie als Arbeitnehmer haben.

In jedem Fall: Das Arbeitszeugnis ist Ihnen sicher

Sie haben in der Schweiz jederzeit ein gesetzliches Anrecht auf ein Arbeitszeugnis, das heisst auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses.

Was gehört unbedingt ins Arbeitszeugnis?

Rein formal muss ein Arbeitszeugnis die wichtigsten Angaben zu Ihrer Person (Name, Geburtsort und -datum, Zivilstand) und zu Ihrem Arbeitsverhältnis (Berufsbezeichnung, Art und Dauer der Beschäftigung) beinhalten. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält zudem eine Beurteilung Ihrer beruflichen Leistung, Ihres Erfolges, Ihrer Arbeitsweise und Ihres Verhaltens sowie eine angemessene Abschiedsformel. Fehlen qualifizierende Merkmale, spricht man indes eher von einer Arbeitsbestätigung, was einer Kurzform des Arbeitszeugnisses entspricht.

Ihre Tätigkeit muss zu Beginn so beschrieben werden, dass Sie ein fachkundiger Dritter versteht. Die Reihenfolge Ihrer Aufgaben sollte deren Wichtigkeit entsprechen, optional kann nach Ihren  Verantwortungsbereichen unterteilt werden. Die anschliessende Beurteilung der Leistung umfasst im Idealfall eine ganze Reihe an Kriterien, anhand derer sich Ihre Fähigkeiten oder Kenntnisse illustrieren lassen. So spielt hier beispielsweise eine Rolle, wie Sie sich ins Unternehmen eingefügt haben, wie Sie sich in Teams eingliedern bzw. Teams führen können und welches Fachwissen Sie mitbringen.

Im Arbeitszeugnis zählt jedes Wort

Auch Fortbildungen, an denen Sie teilgenommen haben, können im Arbeitszeugnis erwähnt werden und demonstrieren Ihren Arbeitseinsatz. Wenn Sie besonderes Engagement gezeigt haben oder Erfolge vorweisen können, ist hier der richtige Platz, um Ihren zukünftigen Arbeitgeber darauf hinzuweisen. Je nach Job steht im Arbeitszeugnis auch der Hinweis auf die Belastbarkeit und den Umgang mit Herausforderungen. Ein Punkt, der in keinem Arbeitszeugnis fehlen darf: Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Dabei spielt die Reihenfolge eine grosse Rolle: In der Zeugnissprache müssen die Vorgesetzten zuerst genannt sein, sonst deutet das auf ein schlechtes Verhältnis hin.

Die Zeugnissprache verstehen und Finessen erkennen

Die Schwierigkeit beim Lesen von Arbeitszeugnissen sind die versteckten Codes. Da die Formulierung laut Gesetz stets „wohlwollend“* sein muss, verwirrt die Zeugnissprache viele Angestellte. Was ist der Unterschied zwischen „voller“ und „vollster“ Zufriedenheit? Welche Aussagekraft hat das Wort „stets“? Der Teufel steckt wie immer im Detail: Wer etwa „zur Zufriedenheit“ gehandelt hat, hätte in der Schule nur ein „ungenügend“ bekommen. Ein „sehr gut“ erkennen Sie an den Superlativen: „Der Angestellte erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“ Besondere Bedeutung haben die Wörter „stets“ und „immer“.

Zur Verdeutlichung ein paar Beispiele, wie die Arbeitsweise unterschiedlich eingestuft werden kann:

  • Sehr gut: „stets mit grösster Sorgfalt und Genauigkeit“
  • Gut: „mit grosser Sorgfalt und Genauigkeit“
  • Befriedigend: „mit Sorgfalt und Genauigkeit“
  • Ausreichend: „im Allgemeinen mit Sorgfalt und Genauigkeit“

Lücken im Arbeitszeugnis sind verdächtig

Fehlen Angaben, beispielsweise zum Verhältnis mit dem Vorgesetzten, bedeutet das in der Zeugnissprache ein negatives Urteil. Gleiches gilt, wenn der Erfolg Ihrer Arbeit nicht erwähnt wird. Das heisst schlichtweg: Sie waren bemüht, aber erfolglos. Passive Formulierungen drücken hingegen Passivität aus: Wenn Sie „allen Anweisungen stets unverzüglich Folge geleistet haben“,  zeigten Sie keinerlei Eigeninitiative.

Noch schlimmer als fehlende oder passive Beurteilungen, sind versteckte Hinweise auf schlechtes Verhalten. Wer „aufgeschlossen und bei den Mitarbeitern der anderen Abteilungen gern gesehen ist“, ist eine Tratschtante, die mehr Zeit mit Kaffeetrinken als mit Arbeiten verbracht hat. Grundsätzlich gilt: Jede Beurteilung, die sich nicht direkt auf Ihre Tätigkeit bezieht, ist ein negatives Urteil.

Mitarbeiter, die sich die Note „sehr gut“ verdient haben, verabschiedet der Vorgesetzte in der Schlussformel übrigens mit Bedauern, Dank und guten Wünschen für die private wie berufliche Zukunft. Eine nüchterne Verabschiedung mit dem Wunsch „für die Zukunft alles Gute“ kann also ein Zeichen dafür sein, dass die Zusammenarbeit nicht immer positiv war.

Sie zweifeln? Dann fragen Sie bei den Profis nach.

Für alle Codes der Zeugnissprache gilt: Eine Abweichung muss kein negatives Urteil, sondern kann auch Nachlässigkeit sein. Auch interpretieren nicht alle Personalentscheider die Codes auf dieselbe Weise. In einem Experiment legte das Manager Magazin dasselbe Arbeitszeugnis drei Personalern und einem Personalberater vor. Das Ergebnis: Ihr Urteil schwankte zwischen „sehr gut“ und „Katastrophe“. Sehr grosse Unternehmen haben bisweilen sogar ihre eigene Zeugnissprache. Gerade deshalb sollten Sie Ihr Arbeitszeugnis sorgfältig lesen und sich bei Zweifeln an professionelle Berater wenden.