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Dass ein guter, strukturierter Onboarding-Prozess für Neuzugänge enorm wichtig ist, ist vielen Unternehmen inzwischen bewusst. Doch auf höheren Hierarchieebenen erwarten Unternehmen von Neuzugängen schnelle Erfolge. Ein planvolles Onboarding wird bei Top-Führungskräften oft zur Nebensache. Das kann sich rächen.

Systematisches Onboarding: Standard für Mitarbeitende, Ausnahme für Führungskräfte

Viele Unternehmen bemühen sich mittlerweile redlich, neuen Mitarbeitenden selbst aus dem Home-Office einen reibungslosen, strukturierten Einstieg zu ermöglichen und sie in ihr Team zu integrieren. Das gilt allerdings nicht für alle Neuzugänge: Auf Führungsebene wird an ein systematisches Onboarding in vielen Firmen kaum ein Gedanke verschwendet. 
Wenn eine erfahrene Führungskraft auf einer Management-Position einsteigt, wird diese schon in der Lage sein, sich selbst einen Überblick über den neuen Arbeitsbereich zu verschaffen, oder? So oder so ähnlich scheint die Erwartungshaltung vieler Unternehmen zu sein. Dies ist nachvollziehbar, denn Führungskräfte sind teuer und oft ist der Handlungsdruck hoch. Verständlich, dass Unternehmensverantwortliche mit ihnen direkt in die Umsetzung gehen wollen. Aber das ist zu kurz gedacht.

Führungskompetenz macht Einarbeitung nicht zum Selbstläufer

Sicher: Das nötige fachliche Handwerkszeug und die erforderlichen Fähigkeiten, um sich schnell auf die neue Umgebung einzustellen, bringen gute Manager*innen mit. Doch die Organisation von Prozessen, Entscheidungswege, Zuständigkeiten an der neuen Wirkungsstätte etc. sind ihnen noch nicht bekannt – und schon gar nicht die ungeschriebenen Gesetze des Unternehmens. Müssen sich neue Führungskräfte diese Informationen selbst erarbeiten, womöglich sogar durch Trial-and-Error, verlieren sie wertvolle Zeit. Im schlechtesten Fall haben unkluge Entscheidungen weitreichende Konsequenzen, etwa mangelnde Loyalität des Teams, unbeabsichtigtes Kompetenzgerangel oder hohe Kosten. 

Das kann zur Zerreißprobe werden. Eine Untersuchung des Fortune Magazine ergab, dass nach einem Jobwechsel oder einer Beförderung 40 % der Führungskräfte innerhalb der ersten 18 Monate auf der neuen Position scheitern. Da liegt der Gedanke nahe, dass sich diese Quote mit einem besseren Onboarding auf den höheren Unternehmensebenen durchaus verringern ließe. Und was ebenfalls nicht vergessen werden darf: Selbst Top-Level-Führungskräfte sind nur Menschen. Auch für sie bringt ein neues Umfeld Unsicherheiten mit sich. 

Executives und leitenden Kräfte benötigen einen besonderen Onboarding-Plan 

Mit einer netten Begrüßung und einem herzlichen Willkommen für neue leitende Mitarbeiter*innen ist es deshalb nicht getan. Stattdessen ist ein umfassender Onboarding-Plan gefragt, der – wie bei jeder Neueinstellung – bereits vor dem ersten Arbeitstag der neuen Arbeitskraft ansetzt. Hinsichtlich administrativer Aspekte gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen Mitarbeitenden: Begrüßungspaket im Vorfeld, vollständig eingerichteter Arbeitsplatz mit allen erforderlichen Zugängen und Arbeitsmitteln sowie ein herzlicher Empfang am ersten Tag sollten Standard sein. Darüber hinaus muss der Onboarding-Prozess jedoch an die speziellen Anforderungen an Führungspositionen angepasst werden. 

Denn hier geht es weniger darum, sich fachlich einzuarbeiten und sich in ein bestehendes Team zu integrieren. Stattdessen muss der*die Neue abhängig von der jeweiligen Position …

  • sich innerhalb des Unternehmens und ggf. mit externen Stakeholdern vernetzen.
  • sich mit Strukturen, Status quo, Firmenpolitik und Unternehmenskultur vertraut machen.
  • die Loyalität und den Respekt des eigenen Teams gewinnen.
  • den Balanceakt zwischen Nähe und Führung gegenüber Mitarbeitenden meistern.

Tipps für ein erfolgreiches Führungskräfte-Onboarding

Je besser neu eingestellte Führungskräfte die Ausgangslage mit all ihren offiziellen und inoffiziellen Regeln, den Risiken und Chancen verstehen, desto erfolgreicher und wertschöpfender sind sie in der Regel auf lange Sicht. Dazu gehört auch, dass sie wissen, welche Erwartungen von welchen Interessengruppen an ihre Tätigkeit gestellt werden. Neuen Führungskräften grundlegende Informationen zu Unternehmenswerten und -zielen, Stakeholdern und Kennzahlen bereitzustellen, ist bereits ein wichtiger Schritt, der enorm hilft. Das mag auf der Hand liegen, wird in der Praxis jedoch längst nicht immer umgesetzt. 

Das selbst solch grundlegende Maßnahmen häufig nicht berücksichtigt werden, macht deutlich, wie wichtig ein systematischer Onboarding-Plan auch für gehobene Führungskräfte und Executives ist. Folgende Aspekte sind dabei wichtig:

  • Vernetzung: Die neue Führungskraft sollte nicht nur das eigene Team kennenlernen, sondern auch alle relevanten Entscheidungsträger*innen. Sowohl auf der eigenen Hierarchieebene als auch auf den darüberliegenden. Hier ist vor allem die Unternehmensführung gefragt. Stellen Sie sicher, dass Neulinge zu allen wichtigen Meetings eingeladen werden. Zudem sollten während der Einarbeitungsphase Möglichkeiten zur Vernetzung mit bereichsübergreifenden Führungskolleg*innen geschaffen werden. Beispielsweise durch vorterminierte Lunch-Termine im Rahmen des Onboarding-Programms.
  • Erwartungen und Prioritäten: An Executives werden von verschiedenen Seiten Erwartungen gestellt, die häufig schwer miteinander zu vereinbaren sind: Ansprüche der eigenen Vorgesetzten, die Bedürfnisse des Teams und Interessen von Geschäftspartner*innen können völlig konträr sein. Erschwerend hinzu kommt, dass Erwartungen nicht unbedingt offen kommuniziert werden. Unternehmen sollten hier eine klare Richtlinie vorgeben. Im Idealfall werden im Vorfeld mit allen Beteiligten die jeweiligen Ansprüche besprochen, Reibungspunkte identifiziert und eine grobe Marschroute vorgegeben. Die neue Führungskraft sollte beim Start über mögliche Konfliktpotenziale in Kenntnis gesetzt werden.
  • Feedback: Für Führungskräfte ist regelmäßiges Feedback während der Einarbeitung elementar. Verhaltensweisen und Methoden, die in der vorherigen Position gut funktioniert haben, kommen nicht zwingend auch im neuen Unternehmen gut an. Deshalb ist es wichtig, dass Neueinsteiger*innen Rückmeldung erhalten, wie ihr Verhalten auf andere wirkt und welche Konsequenzen damit einhergehen. Direkte Rückmeldung und Kritik von den eigenen Mitarbeitenden gibt es in höheren Positionen selten. Wenige trauen sich, kritische Punkte bei Vorgesetzten offen zu thematisieren. Wertvolle Erkenntnisse kann daher eine Mitarbeitendenbefragung bieten, die fest in den Onboarding-Plan integriert wird. Zusätzlich sollte der*die Vorgesetzte oder gut vernetzte Kolleg*innen auf Führungsebene mit regelmäßigem Feedback während des Onboarding-Prozesses beauftragt werden. 
  • Sichtbarkeit: Bei der Einführung von Executives und Top-Managern gerät der Kontakt zur Basis häufig in Vergessenheit. Sorgen Sie im Rahmen des Onboardings nicht nur für eine Vernetzung auf Führungsebenen, sondern schaffen Sie Möglichkeiten für die neue Führungskraft, mit der Belegschaft in Kontakt zu treten. Der Führungskraft ermöglicht das einen unmittelbaren Einblick in die Unternehmenskultur und die Themen, die Mitarbeitende beschäftigen. Zum anderen zahlt der persönliche Kontakt auf die Loyalität der Crew ein.

Mentorenprogramm auch für Führungskräfte sinnvoll

Beim regulären Onboarding von Mitarbeitenden wird Neuzugängen in den ersten Wochen in vielen Unternehmen ein Pate oder eine Patin zur Seite gestellt, der*die beim Ankommen im neuen Team hilft. Ein solches Mentorenprogramm ist auch auf Führungsebene sehr sinnvoll. Mentor*innen können die Vernetzung des Neulings extrem beschleunigen und vereinfachen. Zudem kann Insiderwissen über die Firmenhistorie helfen, Zusammenhänge und Unternehmenskultur besser zu verstehen. Wichtig ist hierbei, die richtige Person mit der Patenschaft zu betrauen. 

Der oder die jeweilige Vorgesetzte ist nicht unbedingt die beste Wahl für diese Aufgabe. Als Mentor*innen kommen Kolleg*innen derselben oder der nächsthöheren Führungsebenen infrage, die bereits einige Zeit im Unternehmen sind und um dessen Eigenheiten wissen. Zudem sind gute empathische und kommunikative Fähigkeiten wichtig für die Patenrolle. Es kann sinnvoll sein, auf Mentor*innen aus anderen Unternehmensbereichen zu setzen, um Abhängigkeiten zu vermeiden.

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