Das Coronavirus bedroht nicht nur die körperliche Gesundheit, es hat auch Auswirkungen auf das seelische Wohlbefinden. Dabei spielt auch die Situation im Job eine wichtige Rolle. Anlässlich des Mental Health Days erklären wir, was Unternehmen für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz tun können.   

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Mehr Stress für Arbeitnehmer seit Ausbruch des Coronavirus

Dass anhaltender Stress am Arbeitsplatz niemandem guttut, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Auch Unternehmen profitieren auf lange Sicht nicht, wenn die eigene Belegschaft bis zum Anschlag durchpowert. Ohne Frage: Motivierte Mitarbeiter, die bereit sind, alles zu geben, sind ein wesentlicher Faktor, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Kurs zu halten. Die Kehrseite: Burn-out, Aufweichen der Bindung an den Job oder eine geringere Produktivität sind mögliche Folgen, wenn Mitarbeiter einem solchen Dauerfeuer zu lange und ungeschützt ausgesetzt sind.

Genau das ist nach dem Ausbruch des Coronavirus offenbar in zahlreichen Unternehmen weltweit passiert: Eine aktuelle Umfrage von Robert Half unter mehr als 1.000 Fachkräften1 zeigt, dass 37 % von ihnen seit Beginn der Covid-19-Pandemie mehr gearbeitet haben als im Regelfall. Die Zahl deckt sich mit den Angaben von Führungskräften2 in einer internationalen Studie von Robert Half: 37 % der Unternehmen ist bewusst, dass ihre Mitarbeiter eine sehr hohe Arbeitsbelastung zu bewältigen haben und hatten und kurz vor einem Burn-out stehen.

Zu einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl – im Sinne eines optimistischen “Wir schaffen das!” – hat der höhere Workload offenbar nicht geführt:

  • Nur 10 % der Mitarbeiter sind der Meinung, dass die Pandemie zu einer stärkeren Bindung innerhalb des Teams geführt hat.
  • Noch weniger – nämlich nur 8 % – finden, dass die Beziehung zu ihrem Vorgesetzten während dieser Zeit enger geworden ist.

Vielen fehlt der direkte persönliche Austausch mit den Kollegen. Während ein Teil der Mitarbeiter im Home-Office die Sorge um Vereinsamung umtreibt, sorgt bei anderen die Kinderbetreuung parallel zur Arbeit für zusätzlichen Stress. Darüber hinaus nagen vielfach noch Ängste und Unsicherheiten, die die aktuelle Situation mit sich bringt, am Wohlbefinden – sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitern.

Viele der von Robert Half befragten Unternehmen haben bereits reagiert:

  • 42 % haben im Zuge der Corona-Pandemie Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit eingeführt.
  • 32 % bieten ihren Mitarbeitern neuerdings allgemeine Wellness-Programme. 

Die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Belegschaft verdient gerade in diesen schwierigen Zeiten besondere Aufmerksamkeit. Damit das gelingt, spielt das richtige Verhalten von Führungskräften eine zentrale Rolle. Nic Marks, Statistiker, Glücksforscher und Gründer von Friday Pulse, ein Tool zur Messung des Mitarbeiter-Wohlbefindens, hat dafür einige wichtige Impulse.

Schritt 1: Wohlbefinden und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zum Thema machen

Der 10. Oktober ist Welttag der seelischen Gesundheit oder auch Mental Health Day. Mit diesem Aktionstag soll unter anderem ein offenerer Umgang mit psychischen Erkrankungen und ein stärkeres Bewusstsein für seelische Belastungen gefördert werden. Psychische Gesundheit ist gerade am Arbeitsplatz oftmals ein Tabuthema. In den Köpfen vieler Mitarbeiter (und auch Führungskräfte) wird das Thema automatisch mit psychischen Erkrankungen gleichgesetzt – ergo: einer Sache, über die man im Job lieber schweigt. Oder wie Marks sagt: “Niemand möchte als Problem gesehen werden, das es zu lösen gilt.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Unternehmen die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiter nicht in ihrem Verantwortungsbereich sehen. Der Obstkorb für die tägliche Vitamindosis, Massagen für die verspannte Muskulatur, Sportangebote – dass es sich lohnt, sich um die physische Gesundheit der Belegschaft zu kümmern, haben viele Unternehmen längst verstanden. Dabei verhält es sich mit dem seelischen Wohlbefinden nicht anders. Schließlich lässt sich ein erheblicher Teil der Krankheitstage auf psychische Belastungen zurückführen. Das betrifft insbesondere Leistungsträger. Diejenigen, die für ihre Arbeit brennen und ohne zu murren eine Extrameile fürs Unternehmen gehen, sind diejenigen, die am häufigsten von einem Burn-out betroffen sind.

Deshalb kann es nur im Interesse des Unternehmens sein, einen offenen Umgang mit psychischen Belastungen zu schaffen. Zeigen Sie, dass es jederzeit ein offenes Ohr für diese Themen gibt und betroffene Mitarbeiter nicht als Problem betrachtet werden. Das kann gelingen, wenn Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen: Ein Vorgesetzter, der mit seinem Team darüber spricht, was ihn derzeit im Job belastet, ist ein überzeugendes Vorbild für Mitarbeiter, sich zu öffnen. Und dann lässt sich rechtzeitig gegensteuern.

Schritt 2: Mehr und besser kommunizieren

Die in vielen Unternehmen bereits eingeführten Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeiter sind ein wichtiger Schritt. “Doch ein Allheilmittel sind diese Programme nicht”, mahnt Marks. “Denn sie setzen voraus, dass sich gefährdete Mitarbeiter selbst kümmern und beispielsweise Achtsamkeitskurse belegen oder Beratungsangebote nutzen. Dafür fehle vielen Betroffenen jedoch schlichtweg die Zeit.

Unternehmen müssen aktiv auf ihre Mitarbeiter zugehen, um psychische Gesundheitsprävention zu betreiben. Der Schlüssel dabei ist Kommunikation. Hier sind wieder die Führungskräfte gefragt. Der regelmäßige Austausch mit dem Team war schon immer ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Teamführung. In diesen besonderen Zeiten, in denen viele Teams immer noch dezentral im Home-Office sitzen, hat er noch erheblich an Bedeutung gewonnen. Als Faustregel gilt: Kommunizieren Sie zwei- bis dreimal mehr als Sie es vor Ort im Büro tun würden.

Hier setzt auch Marks’ Friday Pulse an: Er empfiehlt Unternehmen, sich einmal wöchentlich nach dem Befinden jedes einzelnen Mitarbeiters zu erkundigen. “Durch die systematische unternehmensweite Abfrage werden Missstände in einzelnen Teams frühzeitig entdeckt. Unternehmen können schnell eingreifen und gezielt dort Unterstützung anbieten, wo sie am dringendsten benötigt wird.

Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte, aufmerksam hinzuhören. Was stresst Ihre Mitarbeiter, was macht ihnen Sorgen, auch jenseits des Jobs. Setzen Sie nach Möglichkeit Video-Calls ein, wenn kein direktes Gespräch möglich ist. Denn es schafft automatisch Nähe, wenn sich die Gesprächspartner sehen können. Einzelgespräche sind sinnvoll, um mehr in die Tiefe zu gehen. 

Aber auch Gruppencalls sind wichtig für das Wohlbefinden, insbesondere jetzt, wo sich viele sozial isoliert fühlen. Ein lockerer 15-Minuten-Call losgelöst vom Tagesgeschäft, in dem sich die Teammitglieder darüber austauschen, wie es ihnen geht, kann schon viel für das Wohlbefinden der Teilnehmer bringen – und Führungskräften im Idealfall wichtige Erkenntnisse liefern. Wichtig dabei: Halten Sie die Gruppen klein. “In Runden mit mehr als vier oder fünf Personen wird es für introvertierte Persönlichkeiten schwierig, sich zu öffnen”, weiß Marks.

Schritt 3: Workload reduzieren

Unsere Daten zeigen, dass sich die Work-Life-Balance bei unseren Kunden spürbar verschlechtert hat”, sagt Marks. „Vor der Pandemie lag der Durchschnittswert auf unserer Skala von 0 bis 100 bei 72, inzwischen ist er auf 67 gesunken. Der Dämpfer bei den Work-Life-Balance-Werten ist schon seit März spürbar. Das deutet darauf hin, dass es sich eher um ein anhaltendes Problem handelt als um ein vorübergehendes Ungleichgewicht.

Eine unausgewogene Work-Life-Balance spiegelt häufig erhöhten Stress oder gar einen Burn-out wider. Aber was hat dazu geführt? Um das herauszufinden, haben unsere Kollegen von Robert Half in den USA Arbeitnehmer, die sich ausgebrannt fühlten, im September 2020 nach den Gründen gefragt:

  • 30 % hatten einen höheren Workload zu bewältigen als vor der Pandemie.
  • 19 % hatten im Home-Office Schwierigkeiten, Arbeit und Privatleben richtig voneinander abzugrenzen.
  • 14 % sahen die Ursache in geringeren Ressourcen und gekürzten Budgets.

Die Problematik ist offenbar bekannt. Denn beinahe jeder zweite von Robert Half befragte Entscheider (47 %) sorgt sich, Leistungsträger aufgrund anhaltend hoher Arbeitsbelastung nicht halten zu können. 

Um eine solche Abwanderung zu vermeiden, aber vor allem um die psychische Gesundheit wertvoller Mitarbeiter nicht zu gefährden, sind schnelle Lösungen gefragt. Sicher: Unternehmen, die während der Coronakrise gezwungen waren, sich personell zu verschlanken, sind wirtschaftlich oft noch nicht wieder so gut aufgestellt, dass Neueinstellungen angebracht sind. Aber vielleicht kann der Einsatz von Zeitarbeitskräften ein wenig Druck von überlasteten Mitarbeitern nehmen.

Sie sollten Ihre Mitarbeiter dazu auffordern, für eine gewisse Zeit freizunehmen und ihre Urlaubstage zu nutzen, um neue Kraft zu tanken. Auch wenn Reisen derzeit kaum möglich sind, bleibt eine kleine Auszeit das beste Mittel gegen Stress. 

Sollte das nicht drin sein, können flexiblere Arbeitszeitmodelle vielleicht schon helfen, den Stress zu reduzieren. Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern beispielsweise ihren Arbeitstag in kleinere Zeitfenster einzuteilen, die sie entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen legen können, auch in die Abendstunden. So können Sie Eltern beispielsweise mehr gemeinsame Zeit mit ihren Kindern ermöglichen. Auch das kann einen wichtigen Beitrag zur seelischen Gesundheit leisten.

Überblick: Wie Unternehmen zum psychischen Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter beitragen können

  • Machen Sie sich bewusst, dass Sie als Arbeitgeber eine entscheidende Rolle spielen.
  • Kommunizieren Sie regelmäßig und hören Sie genau hin: Ein kurzer wöchentlicher Videocall in kleinen Gruppen, in denen Mitarbeiter und Vorgesetzter sich austauschen, wie es derzeit läuft und wie ihre Mitarbeiter mit den aktuellen Arbeitsbedingungen klarkommen, sollte obligatorisch sein.
  • Sorgen Sie zusätzlich für häufige Einzelgespräche zwischen Mitarbeitern und ihrer Führungskraft.
  • Machen Sie sich Gedanken, wie sich Stress und Burn-outs vermeiden lassen.
  • Zeigen Sie Empathie: Auch psychische Belastungen und Stress sind Themen, die kommuniziert werden können und sogar sollen.
  • Sorgen Sie für Entlastung, gegebenenfalls durch qualifizierte Zeitarbeitskräfte.
  • Bieten Sie flexible Arbeitszeitmodelle an.
  • Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern einen Freizeitausgleich.

Klar: Das kostet. Doch Marks, der auch als Unternehmensberater tätig ist, schätzt, dass Ausgaben für die psychische Gesundheit von Mitarbeitern einen fünffachen ROI erzielen können. “Der Haken,” sagt er “ist, dass es vor allem Zeit und Mühen kostet, nicht einfach nur Geld.

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Bildquelle: © Deniz Altindas - unsplash.com

 

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1 Die Studie wurde im November 2020 im Auftrag von Robert Half durchgeführt. Befragt wurden 1.500 Führungskräfte mit Personalverantwortung (General Manager, CFOs, CTOs/CIOs,) in kleinen (50-249 Mitarbeiter), mittelgroßen (250-499 Mitarbeiter) und großen (500+ Mitarbeiter) Unternehmen in Belgien, Brasilien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien (je 300 Teilnehmer).